Jetzt bin ich 39 und tanze schon seit 34 Jahren.
Aber zum ersten Mal hat mir ein Ballettlehrer folgendes gesagt:
Wenn Du mit Deinem Spielbein zu 100% arbeitest, hast Du gerade mal 20% der Übung geschafft. Wenn Du mit Deinem Standbein 100% arbeitest, hast Du 80% der Übung geschafft.
Abzüglich der Tatsache, dass ich nicht immer 100% geben kann, weil die Übung noch nicht im Kopf ist und ich noch mehr bewege als nur zwei Beine, habe ich gedanklich wohl mein Standbein vernachlässigt.
Dass das Standbein – das Bein, auf dessen Fuß wir stehen – nur fest im Boden verankert sein muss, kann ja nicht so schwer sein. Prozentual gesehen muss das Standbein doch weniger tun als das Spielbein. Oder? Tendu nach vorne, Jeté nach hinten, Developé zur Seite, Battement en croix …
Dann wären 100% Arbeit mit dem Standbein im Vergleich weniger als 100% Arbeit mit dem Spielbein.
Dennoch: Ohne ein sicheres Standbein, kann das Spielbein überhaupt nicht arbeiten!
Darum ist das Standbein so unglaublich wichtig.
Zum Bein, oder auch untere Extremität genannt, gehören der Fuß, der Unterschenkel, der Oberschenkel und das Gesäß.
Im Ballett hören die Beine bei den Haarwurzeln auf, denn die Spannung zieht sich durch den ganzen Körper. Vielleicht wäre es dann sinnvoller, gleich von der ganzen Standbeinseite zu sprechen …
Das „Standbein“ (vorerst sind es beide Beine!) beginnt am Fuß. Wir stehen im Ballett auswärts. Der Fuß steht fest auf dem Boden, alle Zehen sind entspannt, der kleine Zeh gibt Gewicht in den Boden. Die Beininnenseite zieht nach oben, das Knie ist gestreckt, der Po ist fest, beide Beckenknochen schauen nach vorne, der Bauchnabel zieht nach innen, der Rücken wächst, der Brustkorb schließt sich, die Schulterblätter ziehen nach hinten unten, der Nacken ist lang, die Schultern sind weit weg von den Ohren, der Scheitel zieht zur Decke, Hals und Gesicht bleiben entspannt.
Jetzt verlagern wir das Gewicht auf die Standbeinseite und richten uns noch mehr auf. Ab sofort trägt allein der Fuß des Standbeins das komplette Gewicht Deines Körpers! Halten wir diese Körperspannung, hat das zweite Bein ein leichtes Spiel und kann sich frei bewegen.
Je mehr das Spielbein tanzt, desto mehr hat das Standbein zu tun. Denn es muss die Balance halten und ständig ausgleichen. Pirouetten gelingen ebenfalls nur auf einem stabilen Standbein. Das Spielbein bei der Arabesque wirkt besonders schön, wenn es hoch ist. Aber wackeln darf hier nichts, sonst ist der Zauber schnell vorbei. Hohe Beine brauchen eben einen sicheren Stand.
Wer „hoch hinaus“ will, ebenfalls. Denn nicht umsonst bedeutet „Standbein“ in der Wirtschaft „feste Einnahmequelle“. Ohne Moos nix los! Wer viel will, muss viel tun.
Und weil bald Weihnachten ist: wir schmücken den Baum auch erst, wenn er fest verankert ist und sicher steht.
Viel Spaß beim Dekorieren in jeder Hinsicht!
Eure Isi
Wieder eine sehr wahre „Tanzphilisophie“! Gefällt mir sehr und überall anzuwenden!
Ja, auf das Standbein kommt es an. Überall ; ) Danke! Aber man darf sich schon auch mal fallen lassen.
Das ist ja mal ein informativer, sorgfältig mit Liebe zum Detail geschriebener Artikel. Vielen Dank! 🙂
Vielen lieben Dank!